TXL+

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Schaufenster einer Energie-Plus-Stadt

Im Jahr 2009 absolvierten 20 Stipendiaten aus Deutschland und China in den Seminarräumen der aac in der Planckstraße 13 in Hamburg einen fünfwöchigen Kurs zur Erarbeitung eines Nachnutzungskonzepts für das 460 Hektar große Flughafenareal Berlin-Tegel: TXL+ Schaufenster einer Energie-Plus-Stadt.

Aufgabe war die praxisorientierte Entwicklung zukunftsweisender städtebaulicher und hochbaulicher Konzepte für eine "Energie-Plus-Stadt", die über das "Triple Zero" Konzept hinaus in der Jahressumme mehr Energie produziert als verbraucht. Das "Triple Zero" Konzept bezeichnet Projekte, die in der Jahressumme keine Energie verbrauchen, keine Emissionen abgeben und keine Rückstände produzieren.

Die Ergebnisse dieses Intensivkurses werden in Zusammenarbeit mit USM Möbelbaussyteme in den jeweiligen Showrooms in Hamburg und Berlin gezeigt.

Präambel
Die aktuelle Diskussion um nachhaltiges Bauen trennt sich in zwei kontroverse Lager. Während sogenannte Aktivhauskonzeptionen nicht die Summe der verbrauchten Energie in den Vordergrund der Betrachtung stellen, sondern vielmehr deren regenerative Gewinnung und technologische Minimierung, geht der passive Lösungsansatz primär von einer höchstmöglichen Minimierung des Energiebedarfs aus.

Obwohl beide Ansätze ihre Berechtigung haben, will sich die aac einen möglichst ideologiefreien Standpunkt erarbeiten. Hierbei versucht die aac über eine dialogische Annäherung keine ausschließlich technologische, sondern vielmehr eine städtebaulich-architektonische Antwort zu geben, die sich aus dem Ort, der Funktion und dem sozialen sowie ökonomischen Kontext herleiten läßt. Sie bezieht sich auf das erfolgreiche europäische Stadtmodell, das jedoch neu interpretiert und im Sinne der nachhaltigen Stadtentwicklung weiterentwickelt wird.

Die daraus resultierende Strategie läßt aktive wie passive Modelle zu. Nicht die Suche nach einer allgemeingültigen Lösung, sondern das Aufzeigen vielfältiger architektonischer Ansätze, die dem gemeinsamen Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklung dienen, sind Maßstäbe für die aac.

Anlass und Ziel
Durch die Eröffnung des neuen Berlin-Brandenburger Flughafens BBI steht 2011 die Schließung des Flughafens Berlin-Tegel bevor. Um dem Standort und dem architektonisch wertvollem Bestand eine Zukunft zu sichern, besteht nun die Chance, mit einer umfassenden Strategie eine ganzheitliche Lösung für das gesamte Areal zu entwickeln.

In Anbetracht der aktuellen Erkenntnisse der Klimaforschung und des erheblichen Anteils, den Gebäude am globalen Energiebedarf ausmachen, schlug Meinhard von Gerkan Ende 2008 vor, auf dem ehemaligen Flughafengelände eine Stadt der Zukunft zu bauen, deren Errichtung und Nutzung den Prinzipien der Nachhaltigkeit folgt. Als Nukleus dieser zukünftigen Stadt dient das ehemalige Terminalgebäude, das als Showroom der Deutschen Umweltindustrie eine umgehenden Nutzung erhält und langfristig die Planungszentrale einer Energie-Plus-Stadt darstellt.

TXL+: Eine Energie-Plus-Stadt
Während für die Nachnutzung des Bestandes und deren schnellstmögliche Umsetzung vor allem pragmatische und einfache Maßnahmen vorgeschlagen werden, hat die Energie-Plus-Stadt Tegel den Anspruch, eine für die Zukunft beispielhafte Planung darzustellen, die architektonisch, energetisch und sozial höchsten Anforderungen entsprechen kann.

Der generelle Paradigmenwechsel liegt hierbei jedoch nicht in der technischen Optimierung von Gebäude, vielmehr generiert die neue Stadt durch Dichte und funktionale Flexibilität Lebensformen, die strukturell zu einer optimierten Nutzung von Energie führen. Der durch die zwei vorhandenen Landebahnen definierte Streifen besitzt eine starke Symbolkraft und hohen Wiedererkennungswert und beschreibt gleichzeitig durch seine klar definierten Grenzen die Strategie, dem Flächenfraß der Vorstädte eine kompakte, verdichtete und mit hoher Lebensqualität ausgestattete Stadtstruktur entgegen zu stellen.

Urbane Dichte
Urbane Dichte ist eine der Maximen der Planung TXL+. Die konsequente Umsetzung derselben hat folgende Vorteile:

- Reduktion von Verkehrsaufkommen
- Optimierung des A/V-Verhältnisses pro Einwohner
- Reduzierung von Versiegelung
- Schaffung von großen Freiflächen(Nutzpflanzen, Landwirtschaft, Renaturierung)
- Intensivierung sozialer Strukturen, Schaffung von Urbanität
- Wirtschaftlichere Nutzung gemeinsamer Infrastruktur
- Konzentration öffentlicher Einrichtungen

Hierbei geht es weniger um einen numerischen Idealwert von Dichte, sondern um eine räumliche, soziale und funktionale Dichte, die vor allem vor dem Hintergrund ihrer architektonisch-atmosphärischen Qualität betrachtet wird. Diese Maxime erlaubt es strukturell differenzierte Antworten zu geben, die sehr unterschiedliche, aber allesamt qualitativ hochwertige Lebensräume erzeugen.

Nutzungsoffene Gebäudestrukturen
Eine weitere nachhaltige Strategie ist die Schaffung nutzungsoffener Strukturen statt funktional vordefinierter Gebäude. Diese daraus resultierende Flexibilität wirkt sich ebenso nachhaltig auf den Energieverbrauch wie auf die Lebensqualität der neuen Stadt aus:

- deutliche Verlängerung der Lebensdauer der Gebäude, da bei einer Nutzungsänderung kein Um- oder gar Neubau notwendig ist
- Funktionale Durchmischung, dadurch Schaffung von Urbanität
- Vernetzung von Berufs- und Privatwelt, weitere Reduzierung von Verkehren

"Triple-Zero"
Neben der städtebaulichen Nachhaltigkeit, sollen natürlich auch die Gebäude selbst einen Beitrag zum nachhaltigen Bauen leisten. Hierbei wird die Strategie "Triple Zero" verfolgt:
•    Gebäude zu bauen, die für ihren Betrieb in der Jahressumme keine Energie benötigen ("Null Energieverbrauch/Zero Energy")
•    Gebäude zu bauen, die keine schädlichen Emissionen abgeben ("Null Emission/Zero Emission")
•    Gebäude zu bauen, die vollständig rezyklierbar sind ("Null Rückstände/Zero Waste")
Diese Strategie erlaubt es, sich der gesamten Vielfalt aktueller technischer Lösungen zu öffnen, gleichzeitig aber vor allem darzulegen, daß nachhaltiges Bauen nur auf der Grundlage hochwertiger städtebaulicher und architektonischer Planung möglich ist.